Geschichte Nr. 13

Die Geschichte von den Zieglern
Fritz und Friedrich waren Brüder, die im Fürstentum Lippe lebten. Sie hatten eine große Familie, aber wenig Geld und Essen. Ihr Vater war ein Ziegler, der jeden Sommer nach Holland wanderte, um in einer Ziegelei zu arbeiten. Er schickte ihnen manchmal Briefe und Geld, aber sie vermissten ihn sehr.Eines Tages sagte ihre Mutter: “Kinder, ihr seid jetzt groß genug, um eurem Vater zu helfen. Ihr werdet mit ihm nach Holland wandern und dort als Ziegler arbeiten. Es wird hart sein, aber es ist besser als hier zu hungern.”
Fritz und Friedrich waren aufgeregt und ängstlich zugleich. Sie packten ihre Sachen in den Pucken, einen großen Leinensack und verabschiedeten sich von ihrer Mutter und ihren Geschwistern. Dann wanderten sie mit ihrem Vater und ein paar anderen Zieglern aus dem Dorf zum weit entfernten Bahnhof in Detmold.
Die Wanderung war lang und anstrengend. Sie mussten eine Nacht im Freien übernachten und sahen auf ihrer Bahnfahrt viele fremde Orte und Menschen. Schließlich kamen sie in Holland an. Ihr Vater führte sie zu der Ziegelei. Dort sahen sie viele andere Lippische Ziegler, die wie ihr Vater gekleidet waren: mit Holzschuhen, blauen Kitteln und roten Halstüchern.
“Das ist eure neue Heimat”, sagte ihr Vater. “Hier werdet ihr lernen, wie man Ziegel macht.”
Er zeigte ihnen eine kleine Baracke, mit Strohsäcken und Decken.
“Hier werden wir schlafen”, sagte er. “Es ist nicht viel Platz, aber es ist warm.”
Er zeigte ihnen auch den Lehmgraben, wo sie den Ton für die Ziegel holten; die
an der Luft trockneten; und die Öfen, wo sie gebrannt wurden.

“Das ist eure Arbeit”, sagte ihr Vater. “Ihr müsst jeden Tag viele Ziegel machen. werdet dafür bezahlt, aber nicht viel. Ihr müsst sparsam sein und euer Geld gut aufbewahren.”
Fritz und Friedrich nickten. Sie wollten ihrem Vater helfen und ihm stolz machen.
Am nächsten Tag, um 4 Uhr morgens war die Nacht zu Ende. Sie gingen zum Lehmgraben. Dort schaufelten sie den Ton in Körbe und trugen ihn zu den Formenbänken.
Dort drückten sie den Ton in die Formen und stürzten ihn auf Bretter. Dann trugen sie die Bretter mit den Ziegeln zu den Trockenplätzen.
Die Arbeit war schwer und schmutzig und war nicht vor 20 Uhr beendet. Ihre Hände wurden rau und ihre Kleider waren voller Lehm. Sie schwitzten in der Sonne und fröstelten im Wind.
Sie arbeiteten von morgens bis abends, mit wenigen Pausen. Sie aßen morgens Hafergrütze, mittags gab es Kartoffeln, Bohnen und Speck. oder Brot und ihre mitgebrachten Würste und tranken Wasser aus einem Brunnen.
Sie hatten keine Zeit zum Spielen oder Lernen. Sie sahen keine anderen Kinder oder Tiere. Sie hörten nur das Klappern der Holzschuhe, das Stampfen der Formen und das Knistern der Öfen.
Sie waren oft müde und traurig. Sie vermissten ihre Mutter, ihre Geschwister und ihre Heimat.
Aber sie gaben nicht auf. Sie dachten an ihren Vater, der so hart arbeitete wie sie; an ihre Familie, die auf sie wartete; und an ihren Traum, eines Tages wieder nach Lippe zurückzukehren.
So vergingen die Tage, die Wochen und die Monate.

Eines Tages sagte ihr Vater: “Kinder, wir haben genug Geld gespart. Wir können nach Hause fahren.”
Sie hatten viel gelernt von ihrer Reise als Ziegler. Sie hatten gelernt, wie man hart arbeitet und spart. Sie hatten gelernt, wie man zusammenhält und sich gegenseitig hilft. Sie hatten gelernt, wie man seine Heimat schätzt und liebt.
Sie waren stolz auf sich selbst und auf ihren Vater.
Fritz und Friedrich waren glücklich, wieder zu Hause zu sein, hofften nie wieder als Ziegler nach Holland wandern zu müssen. Sie wollten lieber in Lippe bleiben und dort ihr Leben gestalten.
Aber das Schicksal wollte es anders.
Im nächsten Jahr gab es eine große Dürre in Lippe. Die Ernte verdorrte und die Tiere starben. Die Menschen hungerten und litten.
Fritz und Friedrich sahen ihre Mutter und ihre Geschwister immer dünner und schwächer werden. Sie sahen ihren Vater immer trauriger und verzweifelter.
Sie wussten, was er ihnen sagen würde.
“Kinder, wir haben keine Wahl”, sagte er eines Tages. “Wir müssen wieder als Ziegler wandern. Es ist die einzige Möglichkeit, zu überleben.”
Fritz und Friedrich nickten. Sie verstanden ihren Vater und wollten ihm helfen.
Sie packten ihre Sachen in den Pucken und verab-schiedeten sich von ihrer Heimat.
Dann brachen sie auf.
Die Wanderung war lang und traurig.

Schummer Geschichten als PDF-Datei

Die Lippischen Ziegler waren im 17. bis zum 20. Jahrhundert als Wanderarbeiter aus dem Fürstentum Lippe bekannt, die in Ziegeleien in Nordwest-deutschland, Brandenburg, den Niederlanden und Dänemark arbeiteten. Sie flohen vor Armut und kargen Lebensbedingungen und arbeiteten hart für wenig Lohn. Sie hatten ihre eigene Kultur und Sprache und pflegten den Kontakt zu ihren Familien in Lippe. Sie haben viele Spuren in der Geschichte hinterlassen, da sie den Bau von Kirchen, Schlössern und Häusern in verschiedenen Regionen mit ihren Ziegelsteinen ermög-lichten. Die Lippischen Ziegler waren eine wichtige Gruppe die in der Baugeschichte eine große Rolle spielten.