Geschichte Nr.14

Die Not der Leineweber im Lipperland
Es war einmal ein Leineweber namens Jakob, der mit seiner Frau Anna und seinen drei Kindern einen Lippischen Bergdorf am Rande des Teutoburger Waldes lebte. Jakob webte wunderschöne Leinen-decken aus dem Flachs, den er selbst anbaute und verarbeitete. Er war stolz auf sein Handwerk und seine Decken waren so weich und warm, dass sie jedem ein Lächeln ins Gesicht zauberten.
Jakob verkaufte seine Decken auf dem Markt in Bielefeld und verdiente damit genug Geld, um seine Familie zu ernähren. Er liebte es, mit den anderen Händlern zu plaudern und die bunten Stände zu bewundern. Er freute sich immer, wenn jemand eine seiner Decken kaufte und ihm dankbar dafür war.
Doch eines Tages änderte sich alles. Ein fremder Händler kam auf den Markt und bot billige Stoffe aus England an. Er sagte, dass sie aus einer Maschine kommen, die viel schneller weben konnte als jeder Mensch. Die Stoffe waren zwar nicht so schön wie Jakobs Decken, aber sie waren viel günstiger.
Die Menschen strömten zu dem fremden Händler und kauften seine Stoffe. Sie sagten, dass sie kein Geld für seine teuren Leinendecken hätten.
Er sah entsetzt zu, wie seine Decken unberührt auf seinem Stand lagen und nie-mand sie beachtete. Er spürte einen Stich im Herzen und Tränen stiegen ihm in die Augen. Er packte seine Decken zusammen und ging nach Hause. Er sagte seiner Frau Anna und Kindern nichts von dem fremden Händler oder den billigen Stoffen. Er wollte sie nicht beunruhigen oder enttäuschen.
Er versuchte weiterhin zu weben wie früher, aber er merkte bald, dass er keine

Abnehmer mehr für seine Decken fand.
Jabob geriet in große Not. Er hatte kein Geld mehr für Essen oder Kleidung oder Holz für das Feuer. Seine Familie litt Hunger und Kälte.
Er wusste nicht mehr weiter.
Eines Tages kam er auf eine Idee.
Er nahm eine seiner letzten Decken – die schönste von allen – und ging damit zum fremden Händler.
Der fremde Händler sah sich die Decke an und war beeindruckt von ihrer Schönheit. Er sagte Jakob, dass er ihn gerne in seiner Fabrik arbeiten lassen würde. Er bot ihm einen guten Lohn und eine warme Mahl-zeit an.
Jakob war erleichtert und dankbar. Er dachte, dass er endlich eine Lösung für seine Probleme gefunden hatte.
Er folgte mit seiner Familie dem fremden Händler in die Fabrik im fernen England. Er sah die Maschinen, die laut ratterten und Stoffe ausspuckten. Er sah die Arbeiter, die müde und schmutzig waren. Er sah den Rauch, der aus den Schornsteinen stieg.
Der fremde Händler führte ihn zu einer großen Maschine in der Mitte der Fabrik. Er sagte ihm, dass dies seine neue Arbeitsstelle sei.
Er spürte einen Schauer über seinen Rücken laufen.
Aber Jakob brauchte den Job. Er mußte arbeiteten, jeden Tag, jede Woche, jeden Monat. Er ertrug das Rattern und Spucken, der Maschine und atmete den Rauch und Staub ein. Aber er tat es alles für seine Familie, und das gab ihm die Kraft, weiterzumachen.

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Oerlinghausen, eine kleine Stadt in Lippe besaß aufgrund ihrer ungünstigen Lage, an einem Berghang, kaum eigenes landwirtschaftlich nutzbares Land. Die Bewohner mussten sich daher hauptsächlich mit Flachsspinnen und der Leine-weberei ihren Lebensunterhalt verdienen. Fast 300 Webstühle standen im Amt Oerlinghausen. Ihre Produkte waren bekannt für feines, gebleichtes Leinentuch, das von Hausierern und fliegenden Händlern (Leinenhopser) verkauft wurde. Doch um 1825 endete die große Zeit des handgewebten Leinens, als mechanische Webstühle aus England eingeführt wurden. Viele Weberfamilien litten unter Hunger und bitterer Not.